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Fast immer sind
es einzelne kinematografische Codes, die meine Filmarbeit inspirieren.
In Freeze Frame ist es der Titel selbst, das Standbild, und die
Frage, inwieweit sich in dieser Formulierung des "eingefrorenen Bildes"
nicht viel von der Ideologie Hollywoods verrät: die Idee des kontrollierten
Bildes, und damit auch der Beherrschbarkeit von Welt selbst, wie sie im
Spielfilm repräsentiert wird.
Peter Tscherkassky
"Freeze Frame ist das beste Beispiel für einen filmischen
Signifikanten, dem die Transparenz und Unsichtbarkeit genommen ist. Mehrfach
abgefilmte Materialien (eine Baustelle, eine Müllverbrennungsanlage,
industrielle Friedhöfe, ein antennen- und zeichenartiges Gestell,
das immer wieder umstürzt) werden übereinander belichtet, sodaß
sich eine eindeutige Lesbarkeit des Bildes, geschweige denn eine imaginäre
Positionierung im Raum der Fiktion erst gar nicht mehr einstellen kann.
Diese Art des kalkulierten Bildentzugs wird soweit vorangetrieben, bis
der Filmstreifen in der Hitze des Projektorstrahls angehalten wird (daher
der Titel) und selbst verbrennt."
Michael Palm
"Der Titel Freeze Frame bezieht sich zum Einen auf den Schluß
des Films, nämlich was passiert, wenn ich das Filmbild wirklich "einfriere",
den Film während der Projektion anhalte. Und das friert nicht, das
schwitzt, verglüht in der Hitze der Projektionslampe. Übrigens
ist es ein Arbeiter einer Müllverbrennungsanlage, den man da verschmoren
sieht. Zum Anderen meint Freeze Frame die Ideologie, die mir hinter dem
Terminus technicus 'Standbild' zu stehen scheint, die Vorstellung von
der Beherrschbarkeit des Bildes, das völlig domestiziert wird, voll
durchkontrolliert. Das feiert der Spielfilm immer als Tugend. Freeze
Frame dagegen birst förmlich vor visuellem Material, mit seinen
vielen Mehrfachbelichtungen, d.h. der Film bewegt sich informationstheoretisch
gesprochen ständig an der Grenze zum bloßen Geräusch
hin, um plötzlich mit erkennbaren Bildstrukturen das Thema 'Bild'
auf einer metaphorischen Ebene wieder aufzugreifen. Das sind dann etwa
Bilder von einer Baustelle in Frankfurt, einer Stadt mit entsetzlichem
Stadt-Bild. Im Kontrast dazu Altbauten in Berlin, zum Abbruch bestimmt,
wo aber der Kapitalismus noch nicht so ungeschminkt wie in Frankfurt seine
städtebaulichen Visionen realisiert hat. Diese Häuser habe ich
durch ein Toilettefenster gefilmt. Man sieht sie zu Beginn mit den roten
Schlieren drauf, die das Verbrennen vorwegnehmen und am Schluß,
wenn der Bildstand verloren geht und so die Häuser zu flattern beginnen.
Dann wiederum habe ich kurze Teile meines frühen Films Aderlaß
von 1981 abgefilmt, ein paar wenige Sekunden heftigster Aktion, die in
Aderlaß selbst beinahe untergehen, und die ich hier leitmotivisch
wiederholt einsetze, eine Blutperformance von Armin Schmickl, der sich
eine Wunde zufügt und das Blut auf seinem ganzen Körper verschmiert.
Das sind private Film-Geschichts-Bilder, die ich mit Pseudo-Geschichtsbildern
aus Hollywood kontrastiere, wo der Exzess hier ein uralter Raubritterfilm
auch schon wieder gezähmt ist, filmisch gesprochen. Ich überblende
etwa die statische Aufnahme eines Ritterkopfes mit einer frei bewegten
von Armin. Der Film ist voll von Anspielungen auf Versuche, das Bild zu
beherrschen und gleichzeitig zu zeigen, wie es sich immer wieder entzieht.
Man sieht etwa den Bildstrich, also die Grenze des Bildes und in einer
weiteren Wiederholung habe ich von dieser zweigeteilten Aufnahme nochmals
den Bildstrich gezeigt, und in dieser Dreiteilung werden die Bildgrenzen
selbst zum Teil des Bildes und sind nicht mehr als 'Begrenzung' erkennbar.
Dem Filmbild also Eigenständigkeit belassen, auch was unsere Versuche
betrifft, alles semantisch zu erfassen, weil einfach viele Motive gar
nicht mehr erkennbar sind, sondern abstrakte Lichtgemälde. Die Makrostruktur
von Freeze Frame greift ebenfalls die Idee vom abgeschlossenen
Bild auf. Mit einer A-B-C-D-C-B-A-Struktur, was die verwendeten Bildmotive
betrifft, hat der Film erkennbare Ränder und ein Zentrum, aber auch
diese Makrostruktur löse ich auf. Deshalb dieser Schluß, wo
sich der 'Rand' selbst zerstört, sich öffnet auf das reine Licht
der Projektorlampe zu."
Quelle: "Das Auge sitzt im Kopf. Peter Tscherkassky
im Gespräch mit Karl Sierek", in: blimp Nr. 9, Graz 1988; zit.
in: Francesco Bono (Hrsg.), "AUSTRIA (IN)FELIX. Kritische Bemerkungen
zum österreichischen Film der Gegenwart", Edition blimp, Graz
1992
Freeze Frame wurde vom Centre Georges Pompidou für seine
Filmsammlung erworben. |