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Zunächst
zeigt L'Arrivée die Ankunft des Filmstreifens selbst. Auf
diesem ist wie 1895 bei den Lumiéres die Ankunft
eines Zuges in einer Station zu sehen. Diesmal allerdings kollidiert der
Zug mit einer anderen Lokomotive, was einen gewaltigen Crash bewirkt.
Die dritte Ankunft ist jene einer wunderschönen Frau, die den Trümmern
entsteigt und von einem sehnsüchtig wartenden Mann in die Arme geschlossen
wird das Happy-End.
Reduziert auf wenige Minuten bietet L'Arrivée eine kurze,
präzise Zusammenfassung dessen, was die Kinematographie (nach ihrer
Ankunft mit Lumiéres Zug) zu einer Großmacht werden ließ:
Action, Emotions. Oder, wie eine amerikanische Hausfrau (zitiert von T.W.Adorno)
die Dramaturgie Hollywoods beschrieb: "Getting into the trouble and
out of it again."
Peter Tscherkassky
"Aufregend, aber nur schwer zu fassen und zu beschreiben ist L'Arrivée
von Peter Tscherkassky. Es scheint, als müßte das Dargestellte,
ein Zug, erst mühsam von außen ins Bild finden, er zittert
sich regelrecht hinein, als wäre der Film falsch in den Projektor
eingelegt und müßte einen Tanz aufführen, um überhaupt
'richtig' gesehen zu werden. Selbst geübte Avantgardefilmbetrachter
lassen sich noch für Momente irritieren und in atemlose Erwartung
versetzen; nicht weil hier das narrative Kino zum x-ten Mal 'subversiv
untergraben' würde, sondern in einer tatsächlich sensuellen
Erfahrung verzögerter Wahrnehmung. Materialgewitter, dann steigt
Catherine Deneuve aus dem Zug, und ein Mann fällt ihr um den Hals.
L'Arrivée ist eine scheinbar einfache, aber vielleicht deshalb
noch spannendere sinnliche und intellekturelle Erfahrung in einem."
Christian Cargnelli
"Weiße Leinwand. Tabula rasa. Panavision. L'Arrivée
strahlt einen an wie das reine Licht der Projektion, wie das Weiß
der Fläche, die auf die Inskription des Filmemachers wartet. Peter
Tscherkassky geht in L'Arrivée zurück an den Start,
zurück zu lumière und den Lumières, die aus
der Ankunft eines Zuges auch einst einen Film gemacht haben.
Dann setzt die Verschmutzung ein, die 'Story', wenn man will: Es
rauscht in der Tonspur, es kracht, knistert, dröhnt. Von rechts nähert
sich ein Grauschleier, die Perforation eines Filmstreifens. L'Arrivée
macht Kino aus Fehlleistungen, aus Entgleisungen: Halbe Bilder
die Nebelbilder einer grauen Delegation auf irgendeinem Bahnhof
dringen in die weiße Fläche ein, laufen von rechts und links
zusammen, krachen aneinander, streben wieder auseinander. Das Ursprungsmaterial
stammt aus Mayerling (1968), einem Habsburg-Melodram des Briten
Terence Young. Die Farbe der Firma Eastman, die hier einmal war, hat der
Filmemacher exorziert.
Tscherkassky betreibt drastische Re-Lektüre in CinemaScope: Ein Zug
fährt ein, kollidiert mit seiner Spiegelung. Die Ereignisse beginnen
sich zu überschlagen: Tscherkassky hysterisiert die Bilder, läßt
sie aus ihrer Sicherheit kippen, kreuzt Tonspuren und Perforationsbahnen,
wendet Positives ins Negative, schlitzt sein Material auf, inside out
und upside down. Phantombilder: Hinter dem Schleier eines noch
immer amoklaufenden Filmstreifens, wie angeschlagen von der Panik der
kollabierenden Kinomaschine, taumelt ein Filmstar in den letzten Kuß
Catherine Deneuve steigt aus, ein Mann (Omar Sharif, das klingt
wie: j'arrive) eilt auf sie zu, ein Kuß, ein Glück,
ein Ende. L'Arrivée ist die Anbahnung eines Films, das mit
Lust am Desaster instrumentierte Melodram der verschobenen Schauwerte."
Stefan Grissemann
"Im Filmschaffen von Peter Tscherkassky gibt es ein nachhaltiges
Interesse an der spielerischen Auseinandersetzung mit den syntagmatischen
Grundeinheiten von Filmerzählungen und mit den Ursprungsmythologien
des Kinos. Ein extrem verknappter, pointierter Film wie Shot-Countershot
führte uns direkt in die Erzählkonventionen, ein Film wie Motion
Picture, der von dem ersten Lumière-Streifen ausging, abstrahierte
von dessen Plot und machte die Erzählung strukturell. L'Arrivée
ist nach dem extrem komplexen psychoanalytischen Modell von Parallel
Space: Inter-View eine Rückkehr zu diesen Miniaturen eines Metakinos:
Ein Film findet in seine Erzählung wie die Nadel eines Schallplattenlaufwerks
in die Rille (das charakteristische Geräusch ist auf Tscherkasskys
Tonspur fast verwechselbar), bzw. der Film muß seine Bahn auf den
Schienen erst finden. Inhaltlich: Ein Zug fährt in eine Bahnstation
ein, die Erzählung kollabiert in einer handfrakturierten Kollision,
die Katastrophe ist aber natürlich nicht das Ende, sondern nur der
Übergang zum Kuß. Als wäre der vorerst teuerste Film aller
Zeiten, Titanic von James Cameron, implodiert und als Avantgardefilm
zurückgekehrt, führt L'Arrivée vor Augen, wo das
Kino beginnt: Mit dem Spektakulären, und wo es endet: Mit dem Intimen,
mit der Ankunft der schönen Frau (Catherine Deneuve), mit der Konvention.
Das Spektakuläre wird aber nicht einfach abgebildet, sondern 'verfilmt'
im weitreichendsten Sinn des Wortes: Es wird eine eigene kleine Materialschlacht.
Zugleich ist L'Arrivée auch ein Spiel mit den Möglichkeiten
des Remakes, insofern Tscherkasskys früher Film Manufraktur
nicht nur die metaphorische Bezeichnung für die handwerkliche Technik
des Filmemachers ist, sondern tatsächlich ein Werk, in dem sich die
Gefahr der Geschwindigkeit schon angedeutet hat: Bewegung endet in der
Trägheit oder im Crash Tscherkassky läßt keinen
Zweifel daran, auf welchen Stillstand sich das Kino mit mehr Gewinn hinbewegt."
Bert Rebhandl
"Tscherkasskys L'Arrivée ist ein ursprüngliches
Stück Kino. Es thematisiert, was für den Avantgarde-Film selten
ist und neues Terrain eröffnet, in CinemaScope zwei Konstanten des
Kinematographischen: Der Zug als zentrales Bewegungsparadigma und die
Begegnung von Mann und Frau. In der Dunkelkammer wird das belichtete Material
auf das zu belichtende gelegt (wie in einem frühen Film Man Rays)
in der Form, daß die Perforationslöcher am Rand zu sehen
sind und eine Art Gleiskörper bilden. Der Film, der in die Geschichte
eintritt, findet über die Dauer von L'Arrivée sein
Bett wie ein Fluß über lange Dauer seinen Lauf er präsentiert
sich als Urform für seine Aufgaben ab 1895. Der Titel gemahnt daran
und bestimmt den Punkt, wo die Technik so reif ist, daß die Kinematographie
starten kann. Damit thematisiert Tscherkassky auch eine zentrale Beschäftigungslinie
der gegenwärtigen Avantgarde-Filmproduktion: den Brückenschlag
zu den Anfängen des Kinos."
Bernhard Sallmann, Anmerkungen zum neuen österreichischen
Filmschaffen. in:
Filmforum Zeitschrift für Film & andere Künste, Berlin,
Heft 14, Nov.Dez. 98
L'Arrivée wurde realisiert mit Unterstützung der Kunstsektion
des Bundeskanzleramts, sowie der Abteilung Kultur und Wissenschaft des
Landes Niederösterreich.
L'Arrivée wurde in die Filmsammlung der
Cinematheque Royal Bruxelles aufgenommen.
LArrivée wurde an folgenden Festivals gezeigt:
Diagonale 1998 Festival des österr. Films
(A)
Pesaro 1998 Mostra Internazionale del Nuovo Cinema (I)
Austin 1998 Cinematexas Int. Short Film+Video+New Media
Festival (USA)
Denver 1998 Int. Film Festival (USA)
Cork 1998 43th Int. Film Festival (IR)
London 1998 Pandaemonium Festival of Moving Images (UK)
Madrid 1998 Semana de Cine Experimental (E), 2. Preis
Winterthur 1998 Kurzfilmtage (CH)
Aix-en-Provence 16. Festival Tous Courts 1998 (F)
Stuttgart / Wand 5 / 1999 12. Filmwinter (D)
Ann Arbor 1999 37th Film Festival (USA), Honorable Mention
Bordeaux 1999 Travaux en courts (F)
Images 1999 Toronto Independent Film & Video Festival (CAN)
Osnabrück 1999 Europ. Media Art Festival (D)
Norwegian Short Film Festival 1999 (N)
Hamburg 1999 15. Int. Kurzfilm-Festival & No Budget (D)
Uppsala 1999 18th Int. Short Film Festival (S)
Charlottes Ville Virginia Film Festival 1999 (USA)
Wiesbaden exground on screen 1999 (D)
Bangkok 1999 Experimental Film Festival (Thailand)
Vevey Argos 2000 (CH)
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