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Eine Frau betritt
ein Haus zögernd, vorsichtig. Sie bewegt sich auf den Resten
jener Erzählung, der sie selber entstammt. Doch diesmal begegnet sie
keinem anderen Akteur. Statt dessen bringt sich der filmische Raum selbst
ins Spiel. Er holt sich Terrain zurück, das er an die Erzählung
verloren hatte.
Outer Space ist der zweite Teil einer Trilogie, in welcher Möglichkeiten
des CinemaScope-Formats ergründet werden. CinemaScope erschließt
Bereiche der Leinwand, die von den gängigen Projektionsformaten nicht
erreicht werden. Darüber hinaus richtet sich mein Interesse auf jenen
Outer Space, der sich jenseits des projizierten Teils des Filmstreifens
befindet.
Wie L'Arrivée wurde Outer Space mittels eines archaischen
Kontaktkopierverfahrens hergestellt. Diese Technik ermöglicht eigene
Weisen der direkten Bearbeitung jedes einzelnen Kaders. Die so geschaffenen
Bilder wollen nicht zuletzt in Bereiche führen, in denen die Lust
am genuin Filmischen zu Hause ist.
Peter Tscherkassky
"Wie [Peter] Kubelka traktiert auch sein Landsmann Peter Tscherkassky
den Zuschauer durch das rohe Gegeneinander von Licht und Dunkel, Ton und
Stille. Für seinen überwältigenden CinemaScope-Film Outer
Space verwendete er vorhandenes Filmmaterial eines Horrorfilms mit
Barbara Hershey, das er mit einem einfachen Leuchtstift in der eigenen
Dunkelkammer von Hand auf Schwarzweißfilm kopierte. Nun flieht Hershey
vor ihrem Spiegelbild, zitternd und fragil, bis sich das Filmbild in ein
abstraktes Hell-Dunkel dekonstruiert. Eine Feier des absoluten Kinos!
Der lärmende Lichtton, ebenfalls von Hand kopiert, prüft die
Tonanlage des Kinos auf ihre Haltbarkeit. Wäre dieser sensationelle
Handmade-Film nach seiner Grazer Premiere (wo er einen Hauptpreis gewann)
auch in Oberhausen gelaufen, man hätte kaum das Lied vom Tod des
Experimentalfilms anstimmen können."
Daniel Kothenschulte, Im Rhythmus der Bilder
Bestandsaufnahme nach Festivals in Oberhausen und Graz, Kölner Stadtanzeiger, 6. Mai 1999
"Eine junge Frau, nachts, in einem amerikanischen Spielfilm: Sie
betritt ein Haus, einen dunklen Korridor, einen Thriller. Während
sie, gemeinsam mit dem Zuschauer, wie in Trance in einen unbekannten Raum
eindringt, entgleist das filmische Abbildungsverfahren um sie herum: Die
Räume, die sie durchquert, greifen ineinander, verschwimmen, während
das Knacksen der Schnittstellen und das Grundrauschen der Lichttonspur,
der Klang des Filmmaterials an sich, immer lauter, eindringlicher wird.
Die Dinge überstürzen sich: Die Frau sieht sich in die Enge
getrieben, verfolgt von unsichtbaren Gegnern, sie wird gegen Spiegel gedrückt,
Glaswände bersten, Möbel kippen, und der Kinoapparat, auf den
die Heldin blindwütig einzuschlagen beginnt, wird selbst in Mitleidenschaft
gezogen der Lauf der Bilder gerät ins Stocken, die Perforation
des Filmstreifens kippt ins Bild, die Tonspuren stürzen von außen
herein, in ein irrlichterndes Vernichtungsszenario, wie es in dieser Schönheit
nur das Kino hervorzubringen vermag. Peter Tscherkasskys Outer Space
ist eine vehemente Relektüre gefundener Kinobilder, die Revision
eines 18 Jahre alten US-Horrorfilms mit Barbara Hershey. In zehn Minuten
rast Outer Space durch die ungeahnten Möglichkeiten filmischer
Fehlfunktionen: ein heftig akklamierter Höhepunkt dieses Filmfestivals."
Stefan Grissemann, Rituale, Detonationen, Sehenswürdigkeiten,
Die Presse, 20. März 1999
"Peter Tscherkasskys auch beim Publikum begeistert aufgenommener
Outer Space ist das erstaunliche Produkt eines von der faszinatorischen
Dimension des Kinos Besessenen. In einem aufwendigen Kontaktkopierverfahren
destillierte der Found-Footage-Spezialist aus einem gefundenen B-Picture
vom Anfang der achtziger Jahre Bildkader für Bildkader die Essenz
der Bildräume, in denen sich eine Frauenfigur als Objekt des Horrors
verfängt. Dezentrierungen, Spiegelungen, Umkehrungen und Vervielfältigungen
auch in der Tonbearbeitung weisen ständig über den Bildrahmen
hinaus. Im CinemaScope-Format entwickeln sich so Verdichtungen von außergewöhnlicher
plastischer Schönheit, denen zugleich die Fähigkeit des filmischen
Denkens eigen ist."
Christa Blümlinger, Diagonale zwischen Möglichkeit
und Wirklichkeit, Neue Zürcher Zeitung, 9. April 1999
"Den besten neuen Film steuerte Peter Tscherkassky bei: Outer
Space, Gewinner des 'Diagonale-Preises für innovatives Kino'.
Zehn Minuten in Schwarzweiß und CinemaScope, ein Horrorfilm mit
Barbara Hershey, bearbeitet nach allen Regeln der Kunst eines Filmemachers
auf dem Höhepunkt seiner Entwicklung: On und Off, ganz laut und ganz
leise, sehr hell und sehr dunkel, ein Tanz der Gesichter und Spiegelungen,
ein im wahrsten Sinn des Wortes erschreckender Film, in dem es kracht
und blitzt und flackert, in dem die gepeinigte Protagonistin Ort und Halt
verliert und wir mit ihr. Materialgewitter und bebende Perforation. Und
Pausen, Momente des Innehaltens, die die überwältigende sensuelle
Wirkung nur noch verstärken. Ein Fest für Augen, Ohren, Herz
und Hirn, mit einem Wort: ein Meisterwerk."
Christian Cargnelli, Blinde, Blade, B'soffene, Falter
12/99
"Das herausragende Filmereignis dieser 'Diagonale' wurde mit dem
Preis für innovatives Kino bedacht: Mit beinahe bedrohlich wirkender
visueller Energie demontiert Peter Tscherkassky in Outer Space
das geschlossene System Film. Ausgangsmaterial ist ein Horrorfilm mit
Barbara Hershey, in dem sie Attacken eines Poltergeistes ausgesetzt ist.
Bei Tscherkassky dringt statt des Geistes der sie umgebende Raum auf die
Filmkader ein. Hershey setzt sich gegen den Eindringling zur Wehr. Indem
sie sich den Weg aus dem Film freikämpft, zerschlägt sie das
Bild, das sich der Zuschauer von ihr gemacht hat und läßt diesen
mit der weißen Leinwand allein zurück."
Gregor Stadlober, Stärke und Schwäche des
österreichischen Films,
Neue Zeit, 23. März 1999
"Mit Peter Tscherkassky, dem heurigen Preisträger für
innovativen Film und seinem Dekonstruktions-Meisterwerk Outer Space,
dessen auf die Zuschauer übertragenen Interesse auf 'jenen Outer
Space, der sich jenseits des projizierten Teils des Filmstreifens befindet'
(Tscherkassky) sei einer für viel genannt, die im Avantgardebereich
Weltformat erreichen österreichischer Film, der nicht 'österreichert',
aber dennoch (und deshalb) unverwechselbar ist."
Kurt Hofmann, Soll und Haben, Die Linke, 16. April 1999
"Peter Tscherkasskys Outer Space arbeitet sehr speziell am
Spielfilm: Ein US-Horrorfilm liefert das Ausgangsmaterial für Tscherkasskys
Bearbeitungen, die den Bildträger und die Erzählung des Films
gleichsam umformen bzw. das eine ins andere hinüberträgt, klassische
Dramaturgien aushebelt und jene unsichtbare Macht, die im Horrorfilm eine
Frau bedroht, in eine furiose Materialschlacht in CinemaScope verwickelt.
Unter allen Beiträgen der 'arrivierten' Avantgardisten war Outer
Space der beeindruckendste, dichteste."
Isabella Reichert, Kino auf versehrtem Terrain,
Der Standard, 22. März 1999
"Als einer der Höhepunkte des diesjährigen Festivals ist
der zehnminütige Experimentalfilm Outer Space von Peter Tscherkassky
zu nennen, der für diese Arbeit mit dem Diagonale-Preis für
innovatives Kino ausgezeichnet wurde. Tscherkassky lotet nicht nur das
Medium Film in bezug auf sein Material aus, sondern erzählt eine
alte Genregeschichte mittels Found Footage neu und mit enormer sinnlicher
Intensität. Im 18 Jahre alten US-Horrorfilm mit Barbara Hershey wird
eine Frau von einem Poltergeist bedroht. In Outer Space wird der
Film selbst zum Aggressor. Die Räume verschwimmen und verdoppeln
sich, das Rauschen der Lichttonspur schwillt an, die Perforierung des
Filmstreifens kippt in den Film hinein. Der Horror und die Bedrohung überträgt
sich auf die ureigenste Grundsubstanz des Films."
Karin Cerny, Unterwegs in die Gegenwart,
Literaturhaus online, 21. März 1999
"Unter den aktuellen Beiträgen ragte vor allem eine Arbeit
heraus: Peter Tscherkasskys Nachbearbeitung eines US-Horrorfilms erzeugte
eine beklemmende Atmosphäre, die die gewohnte filmische Wahrnehmung
spektakulär durchbrach."
Andreas Kneubühler, Vom "Outer Space"
ins Vaterherz,
St. Galler Tagblatt, 24. März 1999
"Outer Space heißt Peter Tscherkasskys zweiter CinemaScope-Film.
Im ersten, L'Arrivée, kam im Vorjahr das Kino an
mit einem Bild vom Zug, der einfährt und mit seinem Double kollidiert
, bevor es dann doch noch ein Happy-End gibt. Outer Space
thematisiert nun den Außenraum, das Off, das Diesseits der Bilder,
dessen (ideologische) Wirkkraft den Bildern innewohnt. Outer Space
basiert auf einem US-Horrorfilm. Eine Frau (Barbara Hershey) wird in ihrem
Haus einer unsichtbaren, aggressiven Macht ausgesetzt und zugleich, doppelt
gefangen, dem Blick des Publikums. Outer Space versetzt diese Konstruktion,
die prototypisch ist für Geschlechterhierarchien und das Blickregime
des klassischen Kinos, in heftige Bewegung, räumt der Heldin die
Verkehrung der Verhältnisse ein. Das Haus wird abgehoben (wie einst
die Farm von Dorothy im Zauberer von Oz). Die Heldin geistert gleich
mehrfach durch wässrige, flackernde Schwarzweißbilder, alles
stürzt und fällt und explodiert, Perforation und Tonspur liefern
einander wilde Kämpfe (
). Die Geschichte löst sich auf
in einem Blick der Frau, der standhält."
Isabella Reichert, Home alone, Falter 14/99
"Die Ahnung eines Horrorfilms, lauernde Gefahr: Ein Haus, nachts,
im Blick der Kamera leicht verkippt, taucht irrlichternd aus tiefem Schwarz
auf und darin wieder ab. Eine junge Frau setzt sich langsam in Bewegung,
auf das Gebäude zu, betritt es, die Schnittstellen des Films knacksen,
die Tonspur knarrt, gedämpft, erstickt. Gefundenes Material, Hollywood
1981, ist die Basis dieses Films. Die Gestalt, die durch die Bilder schleicht,
geschleudert wird und gegen sie schlägt, heißt Barbara Hershey.
Tscherkasskys dramatisches Recycling, die Neuabtastung und Umbelichtung
des Materials, Kader für Kader, schiebt die Bilder und die Räume
ineinander, entzieht dem Betrachter jeden Boden und spaltet die Gesichter,
wie im bösen Traum.
Aus dem Off, dem outer space, dringt Wesensfremdes in die Bilder,
und die Montage wird darüber panisch. Die Außengrenzen des
Filmbildes, die leere Perforation und die Skelette der Lichttonspur, proben
die Invasion: Sie durchlöchern die ohnehin unterminierte action
des Films, das Kino zerreißt sich selbst, getrieben von der Aussicht
auf eine letzte Ekstase. Glaswände bersten, Möbel kippen; Tscherkassky
bedrängt seine Heldin, treibt sie zum Äußersten: Immer
wieder, so scheint es, schlägt sie gegen die Kinomaschine, bis die
Bilder zu stottern beginnen, aus der Fassung geraten. Outer Space,
ein Schocker filmischer Fehlfunktionen, ein hellraiser des Avantgarde-Kinos,
beschwört ein Inferno herauf, das seine Vernichtung (der Erzählung,
der Illusion) mit ungeahnter Schönheit betreibt."
Stefan Grissemann
Outer Space wurde realisiert mit Unterstützung der Kunstsektion
des Bundeskanzleramts, sowie der Abteilung Kultur und Wissenschaft des
Landes Niederösterreich.
Sense of Cinema
Outerspace: The Manufactured Film Of Peter Tscherkassky
Outer Space wurde an folgenden Festivals gezeigt:
Diagonale 1999 Festival des österr. Films (A), Preis Innovatives
Kino
Austin 1999 Cinematexas Int. Short Film+Video+New Media
Festival (USA), Gecko Jury Award for Best Short Film und Audience Award
Best Film of the Festival
New York 1999 37th Film Festival (USA)
Denver 1999 Int. Film Festival (USA)
Cork 1999 44th Int. Film Festival (IR)
Charlottes Ville Virginia Film Festival 1999 (USA)
Leipzig 1999 42. Int. Festival für Dokumentar- u. Animationsfilm
(D), Sonderpreis für Innovation
VIPER 1999 Int. Film Video u. Multimedia Festival Luzern (CH)
New York 1999 Shorts International Film Festival (USA)
Winterthur 1999 Kurzfilmtage (CH)
Madrid 1999 Semana de Cine Experimental (E)
film+arc.graz 1999 (A)
Viareggio 1999 Europa Cinema & TV Film Festival (I)
New York Expo of Short Film & Video 1999 (USA), Bronze Award for Experimental
Black Maria Festival 2000/New Jersey (USA), Juror's Choice Award
Sundance Film Festival 2000 (USA)
Rotterdam 2000 29. Int. Filmfestival (NL)
Clermont-Ferrand 2000 12. Festival de Court Metrage (F)
Windsor 2000 Media City 6 (CDN), Jury Grand Prize
Palermo 2000 l'immagine leggera Int. Videoart, Film &
Media Festival (I), Zweiter Preis
Ann Arbor 2000 38. Film Festival (USA), Best Sound Design
Humboldt 2000 Int. Film Festival (USA)
Zürich 2000 VIDEOEXperimental Video & Film Festival (CH)
San Francisco 2000 Golden Gate Award Int. Film Festival (USA),
Golden Spire Award (Cat. New Visions) und Golden Gate Award for Best Short
Film
Osnabrück 2000 Europ. Media Art Festival (D)
Utrecht Impakt 2000 (NL)
Seattle 2000 Int. Film Festival (USA), Honourable Mention
Seoul Indie Forum 2000 (Korea)
Bamberg 2000 Kurzfilmtage (D), Preis der Filmvorführer
Toronto 2000 Worldwide Short Film Festival (CAN)
Seine-St.Denis Côté court 2000 (F)
Hamburg 2000 16. Int. Kurzfilm-Festival & No Budget (D)
Grimstad 2000 The Norwegian Short Film Festival (N)
Barcelona 2000 Sonar Int. Festival of Advanced Music + Multimedia
Arts (E)
Nantucket 2000 Film Festival (USA)
Teplice 2000 Int. Art Film Festival Trencianske (SK)
Pesaro 2000 Mostra Internazionale del Nuovo Cinema (I)
Vila do Conde 2000 8. Festival Int. de Curtas-Metragens (P)
Sao Paulo 2000 Short Film Festival (BR)
espoo ciné (FIN)
Vevey Argos 2000 (CH)
The International Festival of New Film, Split (Kroatien)
19th Uppsala International Short Film Festival (S) |